Ein großer Teil der Bevölkerung lebte im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in ärmlichen und hygienisch katastrophalen Verhältnissen. Hinzu kamen die schlechte Ernährung, schlechte Arbeits- und Wohnbedingungen. Tuberkulose, Typhus, Schwindsucht und Rachitis breiteten sich aus. Vielerorts sind Menschen an Diphtherie erkrankt.
Um diese Zeit trat im Großherzogtum Oldenburg die Diphtherie besonders stark auf. Unter anderem erkrankte der Sohn Hermann von August Meyer in Oldenburg. Dr. Schüßler behandelte das Kind intensiv mit biochemischen Mitteln ohne örtlichen Eingriff, obwohl Ärzte zu dieser Zeit den oft lebensrettenden Luftröhrenschnitt anwandten, weil bei dieser Erkrankung Giftstoffe den Hals zuschwellen ließen.
Hermann Meyer wurde wieder vollkommen gesund und aus Dankbarkeit gründete sein Vater, August Meyer am 17. 07. 1885 mit fünf Freunden in der Gaststätte Stedinger Hof, Achternstraße, den ersten biochemischen Laien-Verein Oldenburg. Der Verein erhielt zunächst den Namen MILBS nach den Anfangsbuchstaben der Gründungsmitglieder Meyer, Modick, Itzken, Lütje, Brumund und Schwegmann.
Die Mitglieder sollten aus allen Berufsschichten stammen und geeignet sein, Informationen über die Biochemie und deren Wirkung zu verbreiten. Dazu bekam jedes Mitglied kostenfrei das Buch „Die Biochemie Dr. Schüßlers und ihre Anwendung in Krankheitsfällen, ein Haus- und Familienarzt“ von August Meyer, liebevoll „der Meyer“ genannt und in 18 Auflagen erschienen. Das Büchlein „Eine abgekürzte Therapie – gegründet auf Histologie und Cellular-Pathologie“ von Dr. Schüßler konnte zu einem ermäßigten Preis von 1,50 Mark erworben werden.
Der Verein hatte es sich außerdem zur Aufgabe gemacht, Literatur für Laien zu schaffen. Das erste Informationsblatt aus dem Jahre 1886 hieß „Mitteilungen für die Mitglieder des biochemischen Laien-Vereins Oldenburg“ und wurde noch hand-schriftlich bzw. in Steindruck in einer Auflage von 40 Exemplaren hergestellt.
Zunächst konnten nur Männer Mitglieder des Vereins werden und auch nur mit dem Einverständnis aller anderen Mitglieder – damals 40 – mit dem Ergebnis, dass ein „kerniger Stamm getreuer Anhänger der Schüßler`schen Sache“ gebildet war. Dabei waren es von Anbeginn des Vereins vor allem die Frauen, die in Zeiten der Not und Armut mit kargem Etat haushalten mussten und nach Wegen suchten, die Lücken in der Gesundheitsversorgung auszugleichen. Die Biochemie, auch damals schon preiswert und für Laien verständlich, hielt Einzug in viele Haushalte.
Nachdem die Mehrheit im Oldenburger Verein noch am 4. April 1902 gegen die Aufnahme von Frauen stimmte, wurde in der Versammlung vom 2. Oktober 1903 ihre Aufnahme gestattet. Kurz darauf, im Januar 1904 trat die erste Frau dem Verein bei. Heute sind die meisten Mitglieder Frauen, und so ist es nicht verwunderlich, dass auch der jetzige Vorstand des Vereins in Frauenhand ist.
Die Biochemische Bewegung, getragen vom Oldenburger Verein als Keimzelle, wuchs weit über die Grenzen Oldenburgs hinaus und wurde sogar international. Es gibt Vereine in Österreich, Belgien, Schweiz, Spanien, den Niederlanden, Australien und sogar in Indien (wo die Biochemie außerordentlich populär ist und sich ein eigenständiger Behandlungsweg entwickelt hat).